Europa Frankreich Kolumne

Die Sache mit Paris – oder: Warum aller guten Dinge vier sind

Paris hat es mir bisher nicht leicht gemacht – oder vielleicht war ich es, die es der Metropole an der Seine hätte einfacher machen können. Für Lissabon brauchte ich gerade mal wenige Stunden und ich war vollkommen verzaubert. Mit Paris dauerte es deutlich länger. Ganze vier Anläufe waren es, bis die Stadt und ich uns anfreundeten und wir endlich über den banalen Smalltalk hinweg kamen.

Mit 11 Jahren war ich das erste Mal in Paris. Davon übrig geblieben sind bruchstückhafte Erinnerungen an die Mona Lisa im Louvre, den Eiffelturm und die Galerie Lafayette. Jahre vergingen, in denen ich meine Italienliebe gepflegt und Paris als Stadt in der ich “ja schon mal war” vernachlässigte. Im Jahr 2015 machte ich dann doch einen kurzen Trip im Sommer in die französische Hauptstadt und ein Jahr später verbrachte ich ein paar Tage im Pariser Herbst.

Aber trotz der zweifellos schönen Metropole mit ihrer von Baron Haussmann geprägten Architektur und dem Stadtbild, das alle paar Meter einer Filmkulisse gleicht, wurde ich nicht so recht warm mit Paris. Ein bitterer Nachgeschmack blieb nach jeder Reise. Grund waren die teuren Preise, die mir die Lust am Kaffee trinken und Essen gehen nahmen. Denn mich durch die vielen landestypischen Köstlichkeiten durchzuprobieren, gehört für mich unbedingt dazu, wenn ich in einer anderen Stadt bin. Zum anderen wirkten die Pariser oft etwas arrogant auf mich. Wenn ich sie mit meinem ausbaufähigen Schulfranzösisch nach dem Weg fragte, erntete ich teilweise Blicke, als hätte ich ihnen gerade vorgeschlagen, mal eben nackt die Champs Elysee entlang zu spazieren.

Auch die Vergleiche mit Rom erschwerten meine Beziehung zu Paris. Wie bei Paris, war auch Rom keine Liebe auf den ersten Blick. Ich brauchte eine zweite Reise, um der Stadt am Tiber gänzlich zu verfallen. Dann aber bedingungslos. Natürlich ist es etwas unfair Rom, das ich mit warmen Sommertagen verband, mit dem oft kühlen und verregneten Paris zu vergleichen. Trotzdem tat ich es und vermisste in Paris die kleinen charmanten Plätze, die Herzlichkeit der Italiener und den Cappuccino für 2 Euro.

Nun folgt also Versuch Nummer vier mit Paris und mir. Diesmal will ich es wirklich wissen. Ganze drei Wochen habe ich, um in die Stadt einzutauchen und mich auf die Menschen einzulassen.

Am Gare de l’Est komme ich an und verstaue meinen Rucksack in den Schließfächern. Den Schlüssel für meine Wohnung in Montmartre kann ich erst gegen Abend abholen. Mit meiner neuen Kamera will ich mich gleich ins Pariser Leben stürzen und kaufe mir am Schalter ein Metro-Ticket. Erst als ich mich durch das Drehkreuz geschoben habe, sehe ich, dass der Mann am Schalter mir neben der Quittung noch einen weiteren Zettel gegeben hat. Mit seiner Handynummer. Ich schmunzele innerlich. Vor nicht mal einer halben Stunde angekommen und schon das Ego gestreichelt bekommen. Okay, Paris, mal sehen was du als nächstes für mich auf Lager hast.

Noch einiges, wie sich herausstellen wird. An der Tafel der Linie 7 überfliege ich die Stationen, um zu sehen, ob mir etwas von den letzten Reisen bekannt vorkommt. Und voilá. Beim Pont Neuf steige ich aus und freue mich, dass die graue Wolkendecke gerade aufbricht und die Sonne herauskommt. Obwohl der Wetterbericht gestern noch Regen angekündigt hatte. So so, Paris, du versuchst es dieses Mal wohl mit allen Mitteln. Je suis d’accord!

Beschwingt laufe ich über den Pont Neuf auf die Ile de la Cite. Auf der kleinen Insel auf der Seine, deren spitzes Ende an das Bug eines Schiffes erinnert, findet ihr nicht nur die Notre Dame. Auch viele kleine Gässchen und ein netter kleiner Park an der Rückseite der Kathedrale sind hier angesiedelt.

Ich überlege für einen Moment, ob ich mich eine Weile auf einer der Bänke in die Sonne setze. Da nimmt mir die nächste Straßenecke die Entscheidung ab. Denn hier wendet ein Mann eifrig Crêpes für 3 Euro auf seinem Eisen. Zwei Minuten später sitze ich auf einer der Bänke in der Sonne und genieße meinen ersten Crêpe in Paris, auf den in den nächsten Wochen – im Wechsel mit Eclairs und Macarons – sicher noch viele folgen werden.

Nach fast zwei Wochen in Paris wird mir klar: Um mich auf die Stadt einzulassen, hat es für mich vor allem eins gebraucht: Zeit. Zeit um Paris verstehen zu lernen. Die Fasson der Menschen, die 20 Arrondissements, in die die Stadt untergliedert ist. Nun nimmt das große Gewirr an Straßen und Plätzen so langsam Form in meinem Kopf an.
Auch die schönen Plätze, um die ich Rom so liebe, habe ich in Paris gefunden. Nur eben ein paar Nummern größer und mit mehr Schick als italienischem Charme.

Nie hätte ich gedacht, dass ich mich in Paris mal so wohl fühlen würde. Ich mag an Paris, dass sich das Leben, sogar zu dieser Jahreszeit, draußen abspielt. Viele Pariser sitzen abends vor den Bars und trinken ihr Bier oder ihr Glas Wein. An einem Samstag Abend auf der Place de la République kann man die Lebensfreude der Menschen regelrecht aufsaugen.
Ich mag es mit der Metro binnen kürzester Zeit von einer Seite der Stadt in die andere zu fahren. Und mir gefällt, dass viele Pariser, in ihr Buch statt in ihr Smartphone schauen, wenn sie in der Metro sitzen. Auch ich habe mir mittlerweile angewöhnt die Fahrten zum Lesen zu nutzen.
Ich mag die wunderschönen Fassaden der Häuser und frage mich, ob ich mich jemals satt daran sehen werde. Ich mag an Paris, dass ich nun doch ein paar bezaubernde Cafés und Restaurants mit erschwinglichen Preisen gefunden habe.

Ich mag es, den Verkäufer an der Seine dabei zu beobachten, wie er sich an einem sonnigen, ruhigen Montag von seinen Ständen weg, hin zur Seine dreht und für einen Moment zur Notre Dame hinauf sieht. Dann frage ich mich, ob die Schönheit der Stadt auch noch auf ihn wirkt. Obwohl er sie Tag ein Tag aus um sich hat.
Und ich mag Paris für sein entzückendes Marais und sein bezauberndes Montmartre. Das mit seinen kleinen Gassen ganz nah an Roms Trastevere heran kommt.

Nun genieße ich mein Glück noch eine ganze Woche hier wohnen zu dürfen. Mit dem Moulin Rouge, Sacré-Cœur und gefühlt hundert Boulangerien gleich um die Ecke. Das Jahr mit dieser kleinen Pariser Auszeit zu beginnen, war die beste Idee überhaupt.

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Mainzerin Sarah packt regelmäßig das Fernweh und kurz darauf ihren Koffer, um neue, faszinierende Orte zu bereisen oder an alte, lieb gewonnene zurückzukehren. Und obwohl sie gelegentlich von einem Neuanfang an einem anderen Ort träumt, einem kleinen Haus in der Toskana mit Klappläden an den Fenstern und Zitronenbaum im Vorgarten oder von einer Stadtwohnung in Lissabon mit Blick auf den Tejo, ist Mainz eben doch ihre Stadt des Herzens.

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6 COMMENTS

  • Hallo Sarah,
    schön, dass du auch die Liebe für Paris entdeckt hast! Bei mir hat es ja ebenfalls gedauert, aber wenn man dann einmal die Schönheit der Stadt erkannt hat, zieht sie einen tatsächlich in den Bann! Ich bin schon auf deinen nächsten Artikel über Paris gespannt und auf die Aufklärung, was aus der Nummer auf dem Zettel wurde… 😉
    Liebe Grüße
    Thomas

    • Avatar-Foto
      Sarah
      AUTHOR

      Hey Thomas,

      ja, ich finde es auch toll, dass ich Paris nun doch für mich entdeckt habe. Gerade weil man von Frankfurt so super schnell hier ist.
      Und aus der Sache mit der Handynummer ist nichts geworden. Habe es als nettes Kompliment gesehen. 😉

      Viele Grüße aus Paris,
      Sarah

  • Shadownlight

    Oh toll, danke für die wundervollen Impressionen!
    Liebe Grüße!

  • Roman

    Hi Sarah,
    bezüglich der Kaffeepreise: Die Cafés gibt es an der Theke für ca. einen Euro. Auf den Terrassen und an den Tischen sind sie deutlich teurer 🙂
    Viele Grüße,
    Roman

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