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From the Highlands back in the City

Nach zwei sonnigen Tagen am Sandwood Bay kam am Morgen danach der Regen und mit ihm der Wind, der uns von der idyllischen Küste vertrieb. Auch Milena und Dominique, das Paar aus Köln, das wir in Inchnadamph kennengelernt hatten, brach auf und schlug den Weg zurück zum Besucherparkplatz in Blairmore ein. Genau wie bei ihnen war nun Frihtjofs und mein Plan eine Nacht in Kinlochbervie zu verbringen, eine Unterkunft mussten wir spontan finden, und am nächsten Tag mit dem Postbus nach Lairg und dort weiter mit dem Zug nach Inverness zu fahren.

In Blairmore trennten sich erneut unsere Wege. Milena und Dominique fanden als erstes eine Mitfahrgelegenheit und fuhren lachend an uns vorbei. Kurze Zeit später überholten wir sie allerdings schon wieder und sahen die zwei wenige Kilometer vor Kinlochbervie am Straßenrand sitzen. Die Schottin bei der wir einen Sitzplatz im Auto gefunden hatten, war uns auch eine Hilfe bei der Suche nach einem Schlafplatz für die Nacht. Hier oben im Norden kennt man sich nun mal. Sie lud uns direkt bei Morag ab, die das eine von zwei Bed and Breakfasts in dem Ort führte.
Als nach dreimaligem Klingeln noch immer keine Morag die Tür öffnete schlichen wir wieder vom Hinterhof hervor und warteten auf dem Parkplatz vor dem Haus, wo wir eine Nachbarin trafen. Ach und weil die Schotten ein so unfassbar nettes Völkchen sind, bat die gute Frau auch gleich an, auf Morag’s Handy anzurufen, wann sie denn zurück kommen würde. Das war aber gar nicht mehr nötig, denn ein Kombi bog gerade in die Einfahrt und siehe da: Mit Morag stiegen außerdem Milena und Dominique aus. Und wie es der Zufall so wollte hatte Morag in ihrem  Bed and Breakfast 23 genau zwei Doppelzimmer und beide waren frei.

So wurde der Abschied von den beiden Kölnern abermals heraus gezögert. Nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten und Morag unsere Wünsche fürs Frühstück notierte, gingen wir zu viert in eines von zwei Restaurants in Kinlochbervie und schlemmten ordentlich Pasta, Fish und Chips und was die Menükarte sonst noch so herzugeben hatte. Mit vollen Bäuchen schleppten wir uns den Berg zu Morags B&B hinauf, um dort, todmüde ins Bett zu fallen.

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Am nächsten Morgen weckte uns die Sonne, die durch die Gardinen fiel und als ich diese zurückzog, erwartete mich ein unvergleichlicher Blick aufs Loch, samt drei Kühen, die es sich unterhalb unseres Fensters im dichten Gras gemütlich machten. Bevor wir unsere Reise nach Inverness antraten, tischte Morag ein full scotish breakfast auf, von dem wir in den vergangenen zwei Wochen nur sehnsüchtig träumten. Scones, Joghurt mit Müsli, Orangensaft, Toast mit Marmelade, dazu Kaffee und Tee. Wir schlemmten so lange, dass wir die Zeit total vergaßen und um ein Haar unseren Postbus verpassten.

Am Ende verlief dann aber doch alles reibungslos. Der Bus brachte uns nach Lairg, wo wir in den Zug nach Inverness stiegen und vormittags ankamen. Mit Milena und Dominique verabredeten wir uns für den Abend. Frithjof und ich luden erst mal unsere Rucksäcke in unserer Unterkunft ab und begutachteten unser Zimmer mit Himmelbett und Badewanne. Das Hotel sollte unsere Belohnung nach zwei langen Wochen im Zelt sein. Dass wir am Ende doch so oft auf eine feste Schlafstätte zurückgriffen, ahnten wir im Vorfeld natürlich nicht.

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Mit leichtem Gepäck zogen wir los, die Kleinstadt zu erkunden. Wir liefen am Fluss Ness entlang und spähten in die hübschen Vorgärten der Backsteinhäuser. Abends nahmen wir dann nochmal ein für zurückgekehrte Wild Camper fürstliches Mal in gleich zwei Pubs ein und verabschiedeten uns nach einem Absacker in einem dritten Pub von dem lieb gewonnenen Pärchen. Nach einer Nacht im Himmelbett ging’s für uns gen Süden.

Glasgow toppte dann noch einmal die schottische Gastfreundschaft. Couchsurfer Ian beherbergte uns für die letzten zwei Nächte, bevor wir zurück nach Frankfurt fliegen würden. Er hatte nicht nur ein eigenes Gästezimmer für uns, nein er bestand auch darauf uns am Abend von der Bushaltestelle abzuholen, an der wir aus Inverness ankamen. Bei ihm saßen wir dann noch eine ganze Weile zusammen, tranken Bier und Ian erzählte von seinen Couchsurfer-Erfahrungen und spannenden Thailand-Reisen.

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Der letzte Tag in Schottland brach an. Wieder Aufwachen in einer neuen Stadt, die es zu erkunden galt und in der wir auch eine kleine Shoppingtour unternahmen. Nachdem ich 16 Tage ein und dieselbe Fleecejacke getragen hatte, teilweise auch in ihr schlief, gönnte ich mir einen neuen Pulli und Frithjof sich eine Packung frische Socken. Im Brew Dog tranken wir zum ersten Mal “ordentliches”, schottisches Bier und ich kam – endlich – in den Genuss von Veggie-Haggis, von dem ich schon so oft während unseres Trips gehört hatte. Beim Schlendern durch die Stadt kamen wir an der kleinen “The Hidden Lane Gallery” vorbei, die gerade eine Ausstellung von Margaret Watkins präsentierte und die Frithjof dazu inspirierte, die letzten Aufnahmen in Glasgow in schwarz-weiß zu fotografieren.
Zahlreiche alte Arbeiterwohnungen aus Backstein prägen das Glasgower Stadtbild gepaart mit einem wilden Mix historischer und moderner Architektur. Nein, eine typische Schönheit ist Glasgow sicher nicht. Die größte Stadt Schottlands hat es aber auch nicht leicht. Schließlich wartet keine 70 Kilometer entfernt, das pompöse und schicke Edinburgh.

Nach zwei Wochen der Ruhe und Einsamkeit überforderte uns der Trubel in der Stadt recht schnell und wir liefen wieder zurück zu Ians Wohnung am Stadtrand. Nach der Wandertour stellte sich für uns erst gar nicht die Frage, den Bus zu nehmen. Die drei Stunden zu Fuß. Pahh.

Schottland hat es uns während unserer Reise nicht immer leicht gemacht, trotzdem habe ich die Zeit dort genossen und viel dazu gelernt. Über mich, über das befreiende Gefühl wenig zu besitzen, über diese ganz bestimmten Dinge, die man an einer Hand abzählen kann und die unser Leben ausmachen.
Zurück in Deutschland dauerte es nicht lange und Frithjof und ich spürten wieder dieses Kribbeln in den Füßen. Die nächste Reise war schnell gebucht – mit etwas mehr Komfort und ganz sicher ohne Schneesturm.

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Mainzerin Sarah packt regelmäßig das Fernweh und kurz darauf ihren Koffer, um neue, faszinierende Orte zu bereisen oder an alte, lieb gewonnene zurückzukehren. Und obwohl sie gelegentlich von einem Neuanfang an einem anderen Ort träumt, einem kleinen Haus in der Toskana mit Klappläden an den Fenstern und Zitronenbaum im Vorgarten oder von einer Stadtwohnung in Lissabon mit Blick auf den Tejo, ist Mainz eben doch ihre Stadt des Herzens.

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4 COMMENTS

  • Timo

    Ein schöner Bericht und tolle Fotos! 🙂

  • Ann-Christin

    Bin durch den Blog von Anidenkt auf dich gestoßen und habe hier diese wunderschönen Berichte über deine Schottlandreise gefunden und habe sie alle hintereinaderweg verschlungen. Was für eine unglaubliche Reise. Ich selbst war auch schon in Edinburgh und für ein paar Tage in den Highlands, Fernweh zurück hast du in mir sowas von geweckt.
    Von Sandwood Bay habe ich vorher noch nie etwas gelesen, das wird sofort auf meine Bucket List gesetzt :O

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      Sarah
      AUTHOR

      Ganz herzlichen Dank für deinen lieben Kommentar, Ann-Christin!
      Freut mich, dass dir meine Beiträge gefallen haben. Ja, das war schon eine spannende Zeit in Schottland. Und Sandwood Bay kann ich dir nur wärmstens empfehlen. Ich will auch ganz unbedingt bald nochmal an diesen magischen Ort.

      Sommerliche Grüße aus Mainz,
      Sarah

  • Felix

    Hallo Sarah,

    So viele Reiseberichte. Hab jetzt mal ein paar gelesen wie z.b. Afrika oder auch Tokio. Du hast eine schöne Art wie du schreibst und dich ausdrückst. Aber am meisten Spaß gemacht hat der Schottlandblog. War wirklich sehr spannend zu lesen. Wünsche dir noch einen schönes langes Wochenende und viel Spaß in georgien.

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